© Foto: Robert Maybach

Wie verändert Künstliche Intelligenz die Art, wie wir lehren und lernen – und welche Chancen aber auch welche Risiken sehen Sie speziell für Universitäten?

Künstliche Intelligenz ist eine Revolution, die alle Bereiche unseres Lebens durchdringt. Egal ob Bildung, Wirtschaft oder Alltag – die Fortschritte zum Beispiel der Generativen KI wie ChatGPT sind offensichtlich. Das eröffnet Möglichkeiten – ein AI-Tutor ist immer geduldig und kann sich an die Studierenden individuell anpassen, oder auch neue Möglichkeiten zur Inklusion eröffnen. Da sehe ich viel Potenzial. Allerdings verleitet KI auch, den Schaffensprozess von Wissen und die Aufbereitung von Forschung an Chatbots auszulagern. Gerade das aber ist das Fundament, auf dem Forschung und Wissenschaft aufbauen. KI aus der Ausbildung „auszusperren“ ist weder praktikabel noch sinnvoll. Gleichzeitig muss aber sichergestellt werden, dass die Fähigkeiten zu wissenschaftlichem Engagement und Arbeiten an die Studierenden weitergegeben werden und diese nicht „den einfacheren Weg“ gehen. Die JKU besitzt mit dem Zentrum für Hochschuldidaktik und AI-kompetente Hochschullehre eine Anlaufstelle für die Berücksichtigung all dieser Potenziale und Tücken in der Lehre an der JKU. Am Ende wird eine Lehre stehen, die KI nutzt, aber auch sicherstellt, dass die erforderlichen Kompetenzen für die späteren Tätigkeiten erworben werden – und diese sind auch der sinn- und verantwortungsvolle Umgang mit KI. Das ist sicher eine der großen Herausforderungen der näheren Zukunft.

 

KI hält zunehmend Einzug in unseren Alltag – etwa durch virtuelle Assistenten oder Text- und Sprachgenerierungssysteme etc.. Wie können wir als Gesellschaft lernen, KI kompetent und kritisch zu nutzen? 

Die KI-Revolution ist so umfassend, dass sich die Gesellschaft an die neuen Möglichkeiten – im Guten wie im Schlechten – anpassen muss. Das gilt auch und besonders für Universitäten. Derzeit gibt es viele Ansichten, wie KI genutzt werden kann – manches davon ist durchaus richtig, anderes übertrieben oder sachlich nicht begründet. Gerade an der JKU wird viel zum Thema Umgang mit neuen Technologien geforscht. Ganz wesentlich wird sein, die Menschen über die Wirkungsweisen von KI aufzuklären, über die Gefahren und wie man sie vermeidet, und auch über den Ressourceneinsatz. Das gilt ganz besonders für junge Menschen. Gerade Generative KI – der Bereich, der im Alltag am meisten genutzt wird – ist fehleranfällig bzw. neigt zu Halluzinationen und muss in der Anwendung sehr kritisch überwacht werden. Dafür zu sensibilisieren, aber auch zu zeigen, wie man KI-generierte Fake News von echten Fakten unterscheidet, ist ein Schwerpunkt, bei dem auch Universitäten gefordert sind. Wir müssen mitten in einer Zeit von Hype und Werbeversprechen faktenbasierten Umgang mit Künstlicher Intelligenz lehren und dazu anleiten. Daher wird an der JKU nicht nur an neuen Technologien geforscht, sondern auch an deren verantwortungsbewusster Implementierung in der Gesellschaft. Am Linz Institute of Technology (LIT) der JKU ist der Bereich KI in einen interdisziplinären Forschungskosmos eingebunden, in dem nicht nur die Technologie an sich, sondern auch deren Auswirkungen auf die Gesellschaft erforscht und berücksichtigt werden, z.B. KI und Recht im LIT Law Lab oder Interaktion Mensch und Roboter im LIT Robopsychology Lab.


Inwiefern ist KI für Sie ein zentraler Innovationstreiber in der Wirtschaft – und welche Kompetenzen müssen Hochschulen künftig vermitteln, um Absolvent*innen auf die Herausforderungen von morgen vorzubereiten?

Global betrachtet, ist wohl KI einer der größten Treiber des zukünftigen Wirtschaftswachstums und der Effizienz. Mittelfristig wird für viele Unternehmen die Nutzung von KI unabdingbar sein, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Gleichzeitig ist KI kein automatischer Heilsbringer. Wenn wir hören, dass viele Unternehmen in unterschiedlichen Bereichen auf KI-Einsatz umstellen wollen, ist das ein ambivalenter Schritt. Denn: KI hat ihre Begrenzungen und kann zwar in manchen Bereichen unterstützen, ist aber immer noch ein Werkzeug bzw. Unterstützung und davon entfernt, flächendeckend menschliche Expertise zu ersetzen. Einfach zu sagen „wir machen das jetzt alles mit KI“ ist zu wenig. Möglichkeiten und Begrenzungen richtig einzuschätzen wird für viele Betriebe eine Herausforderung, aber auch eine Notwendigkeit sein, um durch KI wettbewerbsfähig zu bleiben. Genau diese Fähigkeit müssen wir vermitteln. Unsere Absolvent*innen müssen verstehen, was KI ist und wie sie funktioniert – nur so können sie in diesem sich rasch wandelnden Umfeld auch in Zukunft die richtigen Entscheidungen treffen.


Viele mittelständische Betriebe in Österreich stehen vor der Herausforderung, KI sinnvoll in ihre Prozesse zu integrieren. Welche Strategien oder Unterstützungsmaßnahmen halten Sie für notwendig, damit KMUs den Anschluss an die digitale Transformation nicht verlieren?

Da bedarf es sicher Unterstützung. Man kann zum momentanen Zeitpunkt nicht von jedem kleinen Unternehmen entsprechende Fachexpertise erwarten – und es muss auch nicht für jeden Betrieb sinnvoll sein, größere Prozesse an KI auszulagern. Das gilt aber nicht nur für die KI, sondern generell für den Bereich Digitalisierung. Da braucht es für den individuellen Fall auch individuelle Anleitung und Beratung. Hier können Bildungseinrichtungen, insbesondere Universitäten, eine wichtige Rolle spielen. Die JKU verfügt in diesem Bereich über ein breites Know-how. Ziel muss sein, KMUs dabei zu unterstützen, die Potenziale der KI verantwortungsvoll zu nutzen, ohne ihre spezifischen Stärken zu verlieren, beispielsweise durch European Digital Innovation Hubs.


Was raten Sie Betrieben, die das Potenzial von KI nut-zen möchten, aber noch keinen klaren Einstieg finden bzw. nicht wissen, wo sie konkret ansetzen sollten?

Ich rate vor allem, keine spontanen Schnellschüsse zu machen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sollte niemals Selbstzweck sein. An erster Stelle sollte gründliche Überlegung und Strategieentwicklung stehen: Was will ich eigentlich erreichen, wobei soll mich KI unterstützen? Ebenso ist einmal die Grundlage zu klären oder zu legen, das heißt einmal die Digitalisierung der Prozesse zu betrachten, da nur über die entsprechenden Daten KI Nutzen stiften kann.


Wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken – welche Rolle wird KI Ihrer Meinung nach im Zusammenspiel von Bildung, Wirtschaft und Privatleben in Österreich spielen?

Man sieht bereits jetzt, wie umfassend KI alle Bereiche unseres Lebens durchdringt. Das wird sich weiter verstärken, immer mehr Aspekte unseres Lebens werden von KI erledigt werden. Dafür wird es Expert*innen brauchen, die wir an der JKU auch ausbilden. Das 2019 als eines der ersten in Europa eingeführte Studium „Artificial Intelligence“ ist überaus erfolgreich. Zudem ist die JKU ein internationaler Hotspot der KI-Entwicklung: Die JKU betreibt mit dem Institute for Machine Learning und dem LIT AI Lab – unter der Führung von Sepp Hochreiter – seit Jahren europäische Spitzenforschung auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz (KI). Ich hoffe sehr, dass wir mit unserem Ansatz „Fortschritt nicht um des Fortschritts willen“, sondern den Fortschritt so steuern, dass er den Menschen dient und nicht umgekehrt, Erfolg haben werden. Dann kann die Künstliche Intelligenz tatsächlich zu Verbesserungen in vielen Bereichen führen. Ein Beispiel: Die JKU gründet derzeit ein weiteres Klinisches Forschungsinstitut – Medical Artificial Intelligence. Hier bündelt sich die Expertise verschiedener Fachrichtungen und es wird interdisziplinär geforscht. Das Klinische Forschungsinstitut soll zentrale Anlaufstelle und Drehscheibe für alle wissenschaftlichen Fragestellungen zu Entwicklung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz in der Medizin in Oberösterreich werden. Aber klar ist: KI ist ein Werkzeug – und es liegt an uns, dieses Werkzeug achtsam und verantwortungsbewusst einzusetzen. Zum Wohl von Mensch, Gesellschaft und Umwelt.